3. Aufgaben zu Ernst Jünger
3.1. Vorarbeit: Informieren Sie sich über den Schriftsteller Ernst Jünger
3.2. Beschreiben und erläutern Sie das Verhalten und die Einstellung Ernst Jüngers gegenüber dem Kriegsgeschehen und den Menschen, denen er begegnet.
3. Beurteilen Sie seine Haltung und das damit verbundene Menschenbild.
Ernst Jünger: Kriegstagebuch 1914-1918
Nach Steffen Martus: DIE ZEIT Nr. 40, 30.9.2010, Seite 62
Steffen Martus geht aus von der Motivation des frischgebackenen Abiturienten Ernst Jünger, der als „miserabler Schüler“ von der Schule die Nase voll gehabt habe. Mit Beginn seines Militärdienstes führte er Tagebuch; in einem seiner ersten Einträge nennt er als persönliches Ziel, er wolle „Abenteuer erleben (Traurig aber wahr)“. Unheimlich erscheine Jüngers Feststellung, er habe an der Front Menschen töten wollen und zwar nicht in einem nationalistischen Taumel, sondern aus Mordlust: aus Lust auf die Spannung in Augenblicken voller „Jagdleidenschaft“, in denen man „den Gegner direkt vor sich sieht.“ Da fühle er sich in höchstem Maß lebendig.
Der ZEIT-Journalist folgt zur Erklärung dieser Mordlust dem Vater der Psychoanalyse Sigmund Freud, der meint, dass der moderne Mensch sich beispielsweise bei der Lektüre von Abenteuerromanen von den Zumutungen der Zivilisation erholen wolle oder dass er in den Krieg ziehe, um „den Urmenschen in uns wieder zum Vorschein kommen“ zu lassen. Beides finde man bei Ernst Jünger, der diese „vitalistische Philosophie“ im Schulunterricht mitbekommen habe („Und setzet ihr nicht das Leben ein“, heißt es im Kriegstagebuch, „nie wird euch das Leben gewonnen sein.“ - ein berühmtes Zitat aus Schillers Drama „Wallenstein“). Im Krieg werde er angetrieben von der „Lust an der elementaren Empfindung“ und zugleich an der eigenen Überlegenheit gegenüber dem Feind, aber auch gegenüber allen, die „neben ihm und hinter ihm hingeschlachtet werden“. So heißt es in einem Tagebucheintrag: „Es hat einen stillen Reiz, wo jeder Tag sein Opfer fordert, ruhig weiterzuleben.“
Das Erschreckende und das Banale lägen auch in der im Tagebuch erwähnten Begegnung mit einer Jugendbekanntschaft im Oktober 1916 eng beieinander, die ihn veranlasst habe festzustellen, er hoffe auf die kommende Schlacht , bei der „mit 90prozentiger Gewißheit einer ausscheidet, er oder ich“. Und außerdem, so fügt er geheimnisvoll hinzu, gebe es „noch andere Mittel“. Er freut sich auf einen „spannenden Kampf ( …), den zu gewinnen ich als der klügere, vorbereitetere und mächtigere bestimmt bin“ – nicht einmal zwei Monate später notiert Jünger beim Durchblättern der „Verlustliste“: „Der G. liegt auf dem Soldatenfriedhof Hendicourt Grab No. 13. Die richtige Nummer für ihn.“
Der Autor Ernst Jünger habe sich in die Fantasie eines tödlichen Zweikampfs hineingeschrieben. Er suche gefährliche Situationen, um sie seinem Erinnerungsschatz einzuverleiben: „Entweder ich werde um eine unbezahlbare Erinnerung reicher oder ich gehe drauf, was mir und anderen Leuten wahrscheinlich eine ganze Kette von Unannehmlichkeiten ersparen wird.“ Ob das eine oder das andere eintrete, sei ihm „ziemlich gleichgültig“. Auch diese Gleichgültigkeit, diese „Kälte des Blicks“, zeige sich in Bezug auf den toten Kameraden.
Jünger finde zu dieser Kälte nicht gegen seine erschütternden Erlebnisse; er müsse sich Distanz und Ungerührtheit nicht abringen. Im Gegenteil: Als an seinem zweiten Tag in der Etappe wie aus dem Nichts eine Bombe einschlage, registriere er rührungslos die zerfetzten Leiber, zoome auf ein „lose am Schenkel“ baumelndes Bein und stelle fest: „Einige große Blutlachen röteten die Straße und am Pfeiler klebte Hirn. Die schwere Eisentür war oben zerfetzt (…) Oben hing lustig ein Schild.“ Jünger richte sich ein zwischen „Stücken von der Schädeldecke“, „grünlich weißem verwestem Fleisch“ und „aufgebrochenen“ Schenkeln, in denen ein „Gewühl von Würmern“ rumore. „Der Anblick der von Granaten zerrissenen hat mich vollkommen kalt gelassen, ebenso die ganze Knallerei (…).“
3.1. Vorarbeit: Informieren Sie sich über den Schriftsteller Ernst Jünger
3.2. Beschreiben und erläutern Sie das Verhalten und die Einstellung Ernst Jüngers gegenüber dem Kriegsgeschehen und den Menschen, denen er begegnet.
3. Beurteilen Sie seine Haltung und das damit verbundene Menschenbild.
Ernst Jünger: Kriegstagebuch 1914-1918
Nach Steffen Martus: DIE ZEIT Nr. 40, 30.9.2010, Seite 62
Steffen Martus geht aus von der Motivation des frischgebackenen Abiturienten Ernst Jünger, der als „miserabler Schüler“ von der Schule die Nase voll gehabt habe. Mit Beginn seines Militärdienstes führte er Tagebuch; in einem seiner ersten Einträge nennt er als persönliches Ziel, er wolle „Abenteuer erleben (Traurig aber wahr)“. Unheimlich erscheine Jüngers Feststellung, er habe an der Front Menschen töten wollen und zwar nicht in einem nationalistischen Taumel, sondern aus Mordlust: aus Lust auf die Spannung in Augenblicken voller „Jagdleidenschaft“, in denen man „den Gegner direkt vor sich sieht.“ Da fühle er sich in höchstem Maß lebendig.
Der ZEIT-Journalist folgt zur Erklärung dieser Mordlust dem Vater der Psychoanalyse Sigmund Freud, der meint, dass der moderne Mensch sich beispielsweise bei der Lektüre von Abenteuerromanen von den Zumutungen der Zivilisation erholen wolle oder dass er in den Krieg ziehe, um „den Urmenschen in uns wieder zum Vorschein kommen“ zu lassen. Beides finde man bei Ernst Jünger, der diese „vitalistische Philosophie“ im Schulunterricht mitbekommen habe („Und setzet ihr nicht das Leben ein“, heißt es im Kriegstagebuch, „nie wird euch das Leben gewonnen sein.“ - ein berühmtes Zitat aus Schillers Drama „Wallenstein“). Im Krieg werde er angetrieben von der „Lust an der elementaren Empfindung“ und zugleich an der eigenen Überlegenheit gegenüber dem Feind, aber auch gegenüber allen, die „neben ihm und hinter ihm hingeschlachtet werden“. So heißt es in einem Tagebucheintrag: „Es hat einen stillen Reiz, wo jeder Tag sein Opfer fordert, ruhig weiterzuleben.“
Das Erschreckende und das Banale lägen auch in der im Tagebuch erwähnten Begegnung mit einer Jugendbekanntschaft im Oktober 1916 eng beieinander, die ihn veranlasst habe festzustellen, er hoffe auf die kommende Schlacht , bei der „mit 90prozentiger Gewißheit einer ausscheidet, er oder ich“. Und außerdem, so fügt er geheimnisvoll hinzu, gebe es „noch andere Mittel“. Er freut sich auf einen „spannenden Kampf ( …), den zu gewinnen ich als der klügere, vorbereitetere und mächtigere bestimmt bin“ – nicht einmal zwei Monate später notiert Jünger beim Durchblättern der „Verlustliste“: „Der G. liegt auf dem Soldatenfriedhof Hendicourt Grab No. 13. Die richtige Nummer für ihn.“
Der Autor Ernst Jünger habe sich in die Fantasie eines tödlichen Zweikampfs hineingeschrieben. Er suche gefährliche Situationen, um sie seinem Erinnerungsschatz einzuverleiben: „Entweder ich werde um eine unbezahlbare Erinnerung reicher oder ich gehe drauf, was mir und anderen Leuten wahrscheinlich eine ganze Kette von Unannehmlichkeiten ersparen wird.“ Ob das eine oder das andere eintrete, sei ihm „ziemlich gleichgültig“. Auch diese Gleichgültigkeit, diese „Kälte des Blicks“, zeige sich in Bezug auf den toten Kameraden.
Jünger finde zu dieser Kälte nicht gegen seine erschütternden Erlebnisse; er müsse sich Distanz und Ungerührtheit nicht abringen. Im Gegenteil: Als an seinem zweiten Tag in der Etappe wie aus dem Nichts eine Bombe einschlage, registriere er rührungslos die zerfetzten Leiber, zoome auf ein „lose am Schenkel“ baumelndes Bein und stelle fest: „Einige große Blutlachen röteten die Straße und am Pfeiler klebte Hirn. Die schwere Eisentür war oben zerfetzt (…) Oben hing lustig ein Schild.“ Jünger richte sich ein zwischen „Stücken von der Schädeldecke“, „grünlich weißem verwestem Fleisch“ und „aufgebrochenen“ Schenkeln, in denen ein „Gewühl von Würmern“ rumore. „Der Anblick der von Granaten zerrissenen hat mich vollkommen kalt gelassen, ebenso die ganze Knallerei (…).“
QX: Ernst Jünger in seinem Tagebuch über die Schlacht an der Somme.
"Das Landschaftsbild ist dem, der es gesehen hat, unvergesslich. Diese Gegend hatte doch vor kurzem noch Wiesen und Wälder und Kornfelder. Nichts mehr zu sehen aber auch gar nichts. Buchstäblich kein Grashalm, nicht ein winziges Hälmchen. Jeder Millimeter des Bodens umgewühlt und wieder umgewühlt, die Bäume ausgerissen, zerfetzt und zu Mulm zermahlen. Die Häuser niedergeschossen, die Steine zu Pulver zerstaubt. Die Schienen der Eisenbahn zu Spiralen gedreht, Berge abgetragen, kurz alles zur Wüste gemacht.
Und alles voll Toter, die hundertmal wieder umgedreht und von neuem zerrissen werden. Ganze Schützenlinien liegen vor den Stellungen, unser Hohlweg gefüllt mit Toten, die schichtenweise übereinander liegen. Keine drei Spatenstiche können wir vorn machen, ohne auf einen Körperteil zu stoßen.
Rechts und links der Anmarschstraßen Tote. Sie sind gefallen, vielleicht sogar verwundet, die Kameraden sind in Todesaufregung weiter gelaufen. Die Toten sind an den Anmarschwegen ordentlich ein Richtzeichen, ob man den richtigen Weg noch hat."
"Das Landschaftsbild ist dem, der es gesehen hat, unvergesslich. Diese Gegend hatte doch vor kurzem noch Wiesen und Wälder und Kornfelder. Nichts mehr zu sehen aber auch gar nichts. Buchstäblich kein Grashalm, nicht ein winziges Hälmchen. Jeder Millimeter des Bodens umgewühlt und wieder umgewühlt, die Bäume ausgerissen, zerfetzt und zu Mulm zermahlen. Die Häuser niedergeschossen, die Steine zu Pulver zerstaubt. Die Schienen der Eisenbahn zu Spiralen gedreht, Berge abgetragen, kurz alles zur Wüste gemacht.
Und alles voll Toter, die hundertmal wieder umgedreht und von neuem zerrissen werden. Ganze Schützenlinien liegen vor den Stellungen, unser Hohlweg gefüllt mit Toten, die schichtenweise übereinander liegen. Keine drei Spatenstiche können wir vorn machen, ohne auf einen Körperteil zu stoßen.
Rechts und links der Anmarschstraßen Tote. Sie sind gefallen, vielleicht sogar verwundet, die Kameraden sind in Todesaufregung weiter gelaufen. Die Toten sind an den Anmarschwegen ordentlich ein Richtzeichen, ob man den richtigen Weg noch hat."
QX: Ernst Jünger in seinem Tagebuch über die Schlacht an der Somme.
"Ich scheine wieder einen Bärendusel gehabt zu haben, denn kaum war unser Bataillon in Stellung, als englisches Trommelfeuer einsetzte. Nach zehnstündiger Vorbereitung griffen die Engländer an, nahmen Guillemont und drangen sogar bis an den Rand des Leucewaldes vor. Wir setzten zum Gegenstoße an, die Kompanien buddelten sich jedoch bei Beginn der Dämmerung auf freiem Felde ein, wo sie schon im Zwielicht starkes Feuer erhielten. Aus dieser Schießerei kamen die drei verwundeten Offiziere.
Sie sagten, dass mein Bat [Bataillon] vernichtet oder gefangen sein müsste, denn keine Leuchtkugel wäre von hinten zu sehen gewesen, jede Verbindung, auch die zum K.T.K. [Kampftruppen-Kommandeur] wäre abgeschnitten gewesen. Wenn ich an den Verlust so manches guten Kameraden denke, wird mir doch etwas wehmütig. Wie durch ein Wunder hat mich dieser Zufallstreffer solchem Schicksal entrissen und doch, so seltsam es klingen mag, hätte ich doch gern das Los der Kameraden geteilt und auch über mich den eisernen Würfel des Krieges rollen lassen.
Ich habe nun schon viel erlebt in diesem größten Kriege, doch das Ziel meiner Kriegserlebnisse, den Ansturm und den Zusammenprall der Infanterie, ist mir bis jetzt noch nicht vergönnt gewesen. Den Feind aufs Korn nehmen, ihm gegenüberstehen Mann gegen Mann, das ist etwas anderes als dieser ewige Artilleriekrieg. Darum die Wunde heilen lassen und dann wieder hinaus, noch haben meine Nerven nicht genug!"
"Ich scheine wieder einen Bärendusel gehabt zu haben, denn kaum war unser Bataillon in Stellung, als englisches Trommelfeuer einsetzte. Nach zehnstündiger Vorbereitung griffen die Engländer an, nahmen Guillemont und drangen sogar bis an den Rand des Leucewaldes vor. Wir setzten zum Gegenstoße an, die Kompanien buddelten sich jedoch bei Beginn der Dämmerung auf freiem Felde ein, wo sie schon im Zwielicht starkes Feuer erhielten. Aus dieser Schießerei kamen die drei verwundeten Offiziere.
Sie sagten, dass mein Bat [Bataillon] vernichtet oder gefangen sein müsste, denn keine Leuchtkugel wäre von hinten zu sehen gewesen, jede Verbindung, auch die zum K.T.K. [Kampftruppen-Kommandeur] wäre abgeschnitten gewesen. Wenn ich an den Verlust so manches guten Kameraden denke, wird mir doch etwas wehmütig. Wie durch ein Wunder hat mich dieser Zufallstreffer solchem Schicksal entrissen und doch, so seltsam es klingen mag, hätte ich doch gern das Los der Kameraden geteilt und auch über mich den eisernen Würfel des Krieges rollen lassen.
Ich habe nun schon viel erlebt in diesem größten Kriege, doch das Ziel meiner Kriegserlebnisse, den Ansturm und den Zusammenprall der Infanterie, ist mir bis jetzt noch nicht vergönnt gewesen. Den Feind aufs Korn nehmen, ihm gegenüberstehen Mann gegen Mann, das ist etwas anderes als dieser ewige Artilleriekrieg. Darum die Wunde heilen lassen und dann wieder hinaus, noch haben meine Nerven nicht genug!"
QX: Lancaster Füsilier Harold Beard
„Es war schlimmer als die Hölle. So ein Spektakel habe ich mein Lebtag noch nicht erlebt und es war fürchterlich, die Männer auf dem Schlachtfeld liegen zu sehen. Ich kann Ihnen sagen, jeder, der an jenem ersten Morgen aus diesem Schrott wieder herauskam, hatte Glück.“
„Es war schlimmer als die Hölle. So ein Spektakel habe ich mein Lebtag noch nicht erlebt und es war fürchterlich, die Männer auf dem Schlachtfeld liegen zu sehen. Ich kann Ihnen sagen, jeder, der an jenem ersten Morgen aus diesem Schrott wieder herauskam, hatte Glück.“